Vom Zementkupfer zur Kupferschale
Der ungewöhnliche Entstehungsprozess eines künstlerisch gestalteten Objektes
Am Anfang eines langwierigen Veredelungsprozesses steht das Zementkupfer, eine dunkle erdige Substanz aus getrocknetem Schlamm. Dieses Rohmaterial holt sich Laurenz Stockner aus dem Prettauer Kupferbergwerk im Südtiroler Ahrntal, wo es noch immer nach uralter Methode gewonnen wird. Dazu rinnt über die Erzader beständig Wasser, welches auf Grund vorhandener Mikroorganismen mit Kupfersulfat angereichert wird. Dieses kupferhaltige Wasser wird dann in lange Holzrinnen geleitet, die mit Eisenstreifen ausgekleidet sind. Durch die chemische Reaktion von Eisen und Kupfersulfat wird Kupfer ausgefällt. Das so genannte Zementkupfer (Reinkupfergehalt ca. 70%) lagert sich als feiner Schlamm ab und wird anschließend getrocknet.
Hier beginnt die Arbeit von Stockner. Mittels eines Verhüttungsofens gewinnt er das Rohkupfer. Er entwarf einen eigens dafür konzipierten Schachtofen nach mittelalterlichem Vorbild und baute ihn aus heimischen Schieferbruchstücken und Tonerde. Allein durch mehrtägige Holzkohlefeuerung und entsprechende Luftzufuhr mit einem Gebläse erreicht er im Ofeninnern eine Temperatur von mehr als 1400 Grad Celsius, bei der das Kupfer aus dem direkt auf die Kohle gegebenen Zementkupfer schmilzt und sich im unteren Bereich des Ofeninneren sammelt. Dann erfolgt der Abstich des Rohkupfers.
Ein weiterer Schmelzvorgang in einem anderen Ofen folgt. Das Rohkupfer wird nun in Graphittiegeln erhitzt. Im Material vorkommende Unreinheiten werden durch verschiedene Zugaben weitgehend zu Schlacke gebunden. Ist alles Metall verflüssigt, wird es in zuvor erwärmte Stahlkokillen zu Barren gegossen und langsam abgekühlt.
Jetzt wird das Kupfer im Schmiedefeuer erhitzt und der glühende Barren im Anschluss unter dem Schmiedehammer nach und nach zu einem Kupferblech ausgeschmiedet.
Erst jetzt kann Stockner die runde oder ovale Grundform aus dem Blech schneiden. Mittels Presse entsteht auf einer Bleiunterlage langsam die Schalenform, indem das Zentrum der Kupferscheibe immer weiter vertieft wird. Dadurch streckt sich innen das Material, an der Peripherie hingegen kommt es zur Stauchung und somit zu einer Verkleinerung des Umfanges – Die Scheibe beginnt sich zu wölben. Im Gegensatz zum Eisen wird Kupfer kalt getrieben, muss jedoch von Zeit zu Zeit im Feuer durchgeglüht werden, um die Elastizität des Metalls wieder herzustellen.
Am Ende dieses langen Weges präsentiert sich dem Betrachter eine schlichte, vollendete Schale, deren Form auf Grund ihrer Klarheit und Ursprünglichkeit fasziniert. Das selbst gewonnene Material erzeugt mit seinen Unreinheiten und Rissen eine einzigartige Oberfläche, verstärkt durch das wechselweise Farbspiel von orange-rötlichen und dunklen Nuancen. Jedes Stück ist ein Unikat, in dem ein langwieriger handwerklich-künstlerischer Entstehungsprozess zu seinem Abschluss gekommen ist.
Laurenz Stockner hat mit seinen Schalen aus Prettauer Zementkupfer einen eigenwilligen Weg eingeschlagen, der auf Feingefühl, Erfahrung und Wissen beruht. Aus einer dunklen erdigen Substanz entsteht durch die Verwandlungskraft des Feuers am Ende von Menschenhand eine kunstvolle leuchtende Form, in der die intensive Zuwendung ihres Schöpfers und seine konzentrierte innerliche Begleitung ihres Werdeprozesses erlebbar ist. Eine gelungene Synthese aus Kunst und Handwerk.